Mit einer Verordnung betreffend Vermummungsverbot im Stadtgebiet verbietet die Landespolizeidirektion Wien allen in den Bezirken Innere Stadt Wien, Leopoldstadt, Landstraße, Wieden, Margareten, Mariahilf, Neubau, Josefstadt und Alsergrund an öffentlichen Plätzen aufhältigen Personen, die Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände zu verhüllen oder verbergen oder solche Gegenstände mitzuführen die dies ermöglichen für den Zeitraum von 24. Jänner 2014, 15 Uhr bis 25. Jänner 2014, 3 Uhr. Diese Verordnung betrifft alle Personen, die sich in den genannten Bezirken bewegen, nicht nur Versammlungsteilnehmer/innen. Dies stellt einen noch nie dagewesenen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte eines/r jedes/r Einzelnen dar.
Das Recht diese Verordnung zu erlassen leitet die Landespolizeidirektion Wien aus § 49 SPG ab. Dieser ermächtigt die Behörden zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Vermögen von Menschen, welche in außergewöhnlich großem Umfang auftreten, allgemeine Anordnungen per Verordnung zu treffen. Zum einen ist diese Bestimmung selbst verfassungsrechtlich bedenklich, zum anderen die Heranziehung dieser Bestimmung zur Erlassung der genannten Verordnung.
Die Konzeption des § 49 SPG als Generalklausel ist aus verfassungsrechtlicher Sicht deshalb zu kritisieren, weil es fraglich ist, ob eine Bestimmung, die eine so weit reichenden Eingriff in die persönliche Freiheitsrechte des/r Einzelnen zulässt, dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG entspricht. Ein verfassungskonforme Interpretation kann nur bedeuten, dass durch eine auf § 49 SPG gestützte Verordnung Befugnisse gebündelt oder konkretisiert werden, über welche die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ohnedies verfügen (so der renommierte Staatsrechtsprofessor Ewald Wiederin). Davon kann gegenständlich nicht gesprochen werden, da es keine Norm den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermöglicht, willkürlich allen in einem bestimmten Bereich aufhältigen Personen ein Vermummungsverbot aufzuerlegen. Der Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk ist der Meinung, dass solche Verordnungen als Instrument für eine flexible Handhabung des Gesetzes wertlos und praktische Anwendungsfälle weder bekannt noch leicht vorstellbar sind.
Im konkreten Fall ist die Heranziehung dieser Bestimmung überdies deshalb zu hinterfragen, da in keiner Weise ersichtlich ist (und auch nicht begründet wird) in welcher Form die in außergewöhnlich großem Umfang auftretenden allgemeinen Gefahren vorliegen sollen. Eine Definition von allgemeinen Gefahren findet sich in § 16 SPG. Für das Vorliegen solcher Gefahren bestehen keine Anhaltspunkte. Des Weiteren müssen diese in außergewöhnlichem Umfang vorliegen. Auch dafür lässt die Behörde jede Begründung vermissen und es gibt keine Hinweise, dass solche Gefahren in „außergewöhnlichem Umfang“ bestehen. Zudem erfordert § 49 SPG „das Auftreten“ solcher Gefahren, das heißt solche Gefahren müssen sich bereits manifestiert haben, eine bloße Prognoseentscheidung reicht zur Anwendung des § 49 SPG nicht aus. Die Landespolizeidirektion verkennt daher bei der auf § 49 SPG gestützten Verordnung die Rechtslage und verletzt dadurch die verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechte aller betroffenen Personen.
Zudem tritt eine gem § 49 SPG erlassene Verordnung, im Gegensatz zu Platzverboten nach § 36 SPG, nicht durch Zeitablauf außer Kraft, sondern muss explizit von der Landespolizeidirektion aufgehoben werden (vgl Pürstl/Zirnsac, SPG, § 49, Anm 9). Dies birgt eine zusätzliche Gefahr der willkürlichen Handhabung dieser Bestimmung in sich.
Wir fordern daher die zuständige Behörde und die Politik auf, diese Verordnung unverzüglich aufzuheben. Sollte dies nicht geschehen, raten wir mündigen Bürger/innen gegen diese Verordnung den Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof bzw. im Falle von Verwaltungsstrafen zum Landesverwaltungsgericht zu beschreiten.
Die Verordnung im Wortlaut:
http://www.wienerzeitung.at/_em_daten/_funkinform/2014/01/21/140121_1826_vermummungsverbot_verordnung.doc